Zum 01. Januar 2023 wurde eine große Reform des Betreuungsrechts umgesetzt. Neu eingeführt wurde dabei für die „gegenseitige Vertretung von Ehegatten in Angelegenheiten der Gesundheitssorge“ das Ehegattennotvertretungsrecht. Diese gegenseitige Vertretung kann nur in Notsituationen stattfinden ist an bestimmte Voraussetzungen aus dem BGB geknüpft.
Was bedeutet das Ehegattennotvertretungsrecht?
Wenn ein Ehepartner wegen einer akuten Erkrankung, Bewusstlosigkeit oder eines Unfalls selbst nicht in der Lage ist, Beschlüsse zu fassen, müssen Dritte entscheiden. Bislang durften Ehegatten stellvertretend für ihren Partner nur dann entscheiden, wenn eine Generalvollmacht oder Vorsorgevollmacht existierte oder aber die rechtliche Betreuung nachgewiesen werden konnte. Durch die Einführung des Notvertretungsrechts im reformierten Betreuungsrecht bietet sich Ehegatten und eingetragenen Lebenspartner eine Möglichkeit, sich in Notsituationen ohne gesetzliche Betreuung oder Vollmachten zu vertreten. Ausgenommen vom Ehegattennotvertretungsrecht sind jedoch Lebensgefährten.
Das neue Ehegattennotvertretungsrecht gilt nur für Regelungen aus dem Bereich der Gesundheitsfürsorge Hiervon umfasst sind beispielsweise Entscheidung für oder gegen Untersuchungen, ärztliche Eingriffe, Heilbehandlungen oder ärztliche Aufklärungen. Ist durch eine Entscheidung eine lebensbedrohliche Situation für den erkrankten Ehepartner zu befürchten, so müssen diese medizinischen Maßnahmen durch das zuständige Betreuungsgericht schriftlich genehmigt werden, wofür die Voraussetzungen der rechtlichen Betreuung und Bevollmächtigung gelten.
Des Weiteren können durch das Ehegattennotvertretungsrecht auch Behandlungsverträge mit Kliniken, Krankenhäusern oder Ärzten sowie Verträge mit Pflegeeinrichtungen oder Rehabilitationskliniken geschlossen werden. Auch Beschlüsse von Ehegatten über freiheitsentziehende Maßnahmen dürfen getroffen werden, sofern diese nicht über sechs Wochen hinausgehen und von einer Genehmigung durch das Betreuungsgericht abhängig sind. Letztendlich dürfen Ehegatten auch Ansprüche für ihren kranken Partner geltend machen, sofern sie sich wie etwa beim Schadensersatz oder bei Versicherungsleistungen aus der Erkrankung ergeben.
Wichtig ist, dass bei jeder nach Maßgabe der Ehegattennotvertretung getroffenen Entscheidung das Selbstbestimmungsrecht des kranken Ehepartners gewahrt wird. Beschlüsse müssen immer nach dem bekannten oder mutmaßlichen Willen des erkrankten Ehepartners gefasst werden. Eine wichtige Orientierungshilfe hierfür können vorhandene Patientenverfügungen, Vorsorgevollmachten oder aber Äußerungen des kranken Ehepartners sein.
Das Ehegattennotvertretungsrecht ist auf einen Zeitraum von maximal sechs Monaten befristet. Bei einem über diese Frist hinausgehenden Vertretungsbedarf muss ein Antrag auf eine rechtliche Betreuung gestellt werden.
Sach- Rechtslage vor dem Ehegattennotvertretungsrecht
Bis zur großen Reform des Betreuungsrechts zum 01. Januar 2023 musste in Fällen, in denen ein Ehepartner zu krank für eigene Beschlüsse – also einwilligungsunfähig – war, ein gerichtlicher Betreuer oder Notbetreuer bestellt werden, sofern keine Vorsorgevollmacht vorgelegt werden konnte. Viele Ehepartner konnten diese Regelungen in medizinischen Notsituationen nicht verstehen. Sie sind davon ausgegangen, dass der „gesunde“ Ehepartner in Notfällen die notwendigen medizinischen Einwilligungen für den jeweils anderen treffen darf.
Nach bisherigem Recht durften Ehegatten also weder eine Entscheidung über medizinische Behandlungen für ihren kranken und handlungsunfähigen Partner treffen oder die Vertretung im Rechtsverkehr übernehmen, sofern keine gesetzliche Betreuung oder Bevollmächtigung vorgelegen hat.
Was darf der „gesunde“ Ehepartner bei der Notvertretung?
Ist ein Ehepartner wegen Krankheit oder Bewusstlosigkeit nicht in der Lage, seine Angelegenheiten der Gesundheitssorge nicht selbst zu regeln, so darf der andere Ehepartner für den vertretenen Ehegatten:
- in medizinische Untersuchungen, ärztliche Eingriffe oder Heilbehandlungen einwilligen oder diese untersagen und ärztliche Aufklärungen entgegen nehmen
- Verträge über Behandlungen, Krankenhausaufenthalte oder eilige Rehabilitationsmaßnahmen sowie Pflegemaßnahmen abschließen und durchsetzen
- über freiheitsentziehende Maßnahmen durch Medikamente, mechanische Vorrichtungen und andere Maßnahmen in einem Krankenhaus, einem Heim oder einer Einrichtung gemäß § 1831 Abs. 4 BGB entscheiden, sofern diese einen Zeitraum von sechs Wochen nicht überschreiten
- Ansprüche für den kranken Ehepartner geltend machen, die diesem aufgrund der Erkrankung gegenüber Dritten zustehen sowie Ansprüche an Leistungserbringer abtreten oder Zahlungen verlangen
Behandelnde Ärzte werden gegenüber dem vertretenden, also „gesunden“, Ehepartner von ihrer Schweigepflicht entbunden, weshalb auch Einsicht in die Krankenunterlagen gewährt werden muss und eine Weitergabe an Dritte möglich ist.
Was darf der „gesunde“ Ehepartner bei der Notvertretung nicht?
Die Berechtigungen aus dem Vertretungsrecht gelten nicht, wenn
- die Ehepartner getrennt leben
- dem behandelnden Arzt bekannt ist, dass der kranke Ehepartner eine derartige Vertretung ablehnt oder jemanden zur Wahrnehmung seiner gesundheitlichen Angelegenheiten bevollmächtigt hat
- für den kranken Ehepartner bereits ein Betreuer bestellt wurde, dessen Aufgabengebiet die gesundheitlichen Angelegenheit umfasst
Pflichten von Ärzten bei der Ehegattennotvertretung
Einem Arzt, gegenüber dem das Vertretungsrecht ausgeübt wird, muss die vorerwähnten Voraussetzungen nebst dem zutreffenden Zeitpunkt prüfen und schriftlich bestätigen. Diese Bestätigung muss dem gesunden Ehepartner vorgelegt und von diesem versichert werden. Diese Versicherung hat zu beinhalten, dass das Notvertretungsrecht aufgrund Krankheit oder Bewusstlosigkeit besteht und der vertretene Ehegatte seine gesundheitlichen Angelegenheiten rechtlich nicht selbst regeln kann. Des Weiteren muss versichert werden, dass kein Ausschlussgrund für das Ehegattennotvertretungsrecht vorliegt. Für die weitere Ausübung dieses Rechts muss dem gesunden Ehegatten das Dokument ausgehändigt werden.
Ab der Bestellung eines Betreuers, dessen Aufgaben auch die gesundheitlichen Angelegenheiten umfassen, darf das Ehegattenvertretungsrecht nicht mehr ausgeübt werden.
Was beim Ehegattennotvertretungsrecht beachtet werden sollte
Das Reformgesetz zum Vormundschafts- und Betreuungsrecht ist am 01.01.2023 in Kraft getreten. Durch diese Modernisierung des Betreuungsrechts wurde das Vertretungsrecht für Ehegatten eingeführt, wonach Ehepartner in gesundheitlichen bzw. medizinischen Notfällen füreinander Beschlüsse fassen dürfen.
Damit im Falle einer solchen Notsituation klare und nachvollziehbare Vertretungsbefugnisse nachgewiesen werden können, empfehlen wir Ihnen, das vom BMJ Bundesministerium der Justiz gemeinsam mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft und der Bundesärztekammer erarbeitete Formular über das Ehegattennotvertretungsrecht zu verwenden.
Letztendlich kann die Einführung des Ehegattennotvertretungsrechts nur als wichtige Errungenschaft in der deutschen Rechtslage betrachtet werden, da noch immer viele Menschen auf die Möglichkeiten einer Vorsorgevollmacht oder Patientenverfügung verzichten. Eine derart umfangreiche Notfallsituation, die wichtige gesundheitliche Maßnahmen erfordert, geht nahezu immer mit einer anschließenden Pflegebedürftigkeit eines Ehegatten einher. Wie Ihnen in einer derartigen Situation etwas weitergeholfen werden kann, haben wir für Sie in unserer Checkliste für die Pflege zu Hause zusammengefasst.
Gerne laden wir Sie vor diesem Hintergrund auch ein, sich über die stundenweise Betreuung für eine zeitlich beschränkte Entlastung oder aber die vollumfassende 24 Stunden Betreuung zu informieren.