Sie sind berufstätig und Ihre Mutter oder Ihr Vater werden plötzlich pflegebedürftig. Wenn Sie sich selbst um die Pflege eines Familienmitglieds kümmern möchten, stehen Sie schnell vor der Frage, ob Sie dafür Ihre Arbeit aufgeben müssen. Vielleicht ist es aber auch möglich, den Beruf nicht mehr im gewohnten Umfang auszuüben, sondern weiterhin in Teilzeit arbeiten zu gehen. Um Pflege und Beruf zu vereinbaren, hat der Gesetzgeber verschiedene Modelle und Unterstützungsmöglichkeiten geschaffen.
Möglichkeiten der finanziellen Entlastung
Entscheiden Sie sich für die Pflege von Mutter oder Vater, werden für Sie unter bestimmten Voraussetzungen auch Leistungen zur sozialen Absicherung bezahlt. Durch Regelungen zur kurzzeitigen Arbeitsverhinderung, Freistellung oder Teilzeit durch die Pflegezeit und Familienpflegezeit werden Sie dabei unterstützt, nahe Angehörige im Rahmen der häuslichen Pflege zu versorgen. Die Möglichkeiten der Freistellung nach dem Pflegezeitgesetz sowie dem Familienpflegezeitgesetz können Sie miteinander kombinieren, wenn diese nahtlos ineinander übergehen. So können Sie eine Freistellung von maximal 24 Monaten erreichen.
Seit 2015 haben Arbeitnehmer das Recht auf eine bezahlte Pflegezeit, um einen nahen Angehörigen zu pflegen. Für die kurzfristige Auszeit kommt die gesetzliche Pflegeversicherung des Angehörigen auf; nicht der Arbeitgeber. Die Pflegeversicherung zahlt in diesen Fällen 90 % des ausbleibenden Nettoeinkommens. Ansonsten erhalten Sie während der Pflegezeit vom Arbeitgeber den üblichen Verdienst für die geleistete Arbeitszeit. Wenn Sie also Ihre Arbeitszeit reduzieren, erhalten Sie ein Teilzeitgehalt. Lassen Sie sich komplett freistellen, bekommen Sie nichts mehr von Ihrem Arbeitgeber. Damit Sie den Lohnausfall abfedern können, haben Sie das Recht auf ein zinsloses Darlehen in der Höhe Ihres ausfallenden Verdienstes vom Staat. Dieses Darlehen wird in monatlichen Raten an Sie ausgezahlt und kann bis zur Hälfte Ihr entgangenes Nettogehalt abdecken. Wenn Sie wieder voll arbeiten, zahlen Sie Raten in gleicher Höhe wieder zurück. Das zinslose Darlehen müssen Sie beim BAFzA – Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben beantragen.
Pflegezeit oder Pflegeurlaub
Um ein Elternteil oder einen nahen Angehörigen zu Hause zu pflegen, können Sie eine Auszeit von bis zu sechs Monaten nehmen oder auf Teilzeit wechseln. Sie müssen diese Pflegezeit zehn Tage vorher Ihrem Arbeitgeber schriftlich mitteilen. Der Rechtsanspruch auf Pflegezeit steht Ihnen jedoch nur dann zu, wenn Sie in einem Unternehmen mit mehr als 15 Mitarbeitern inklusive Auszubildenden arbeiten. Jedoch können manchmal auch in kleineren Unternehmen auf freiwilliger Basis Vereinbarungen über eine Pflegezeit getroffen werden, die dann ebenfalls auf Antrag gewährt wird. Beim zu pflegenden Angehörigen sollte im Idealfall bereits ein Pflegegrad von der Pflegeversicherung anerkannt worden sein. Ist dies nicht der Fall, sollten Sie so schnell wie möglich Pflegeleistungen bei der zuständigen Pflegekasse beantragen. Können Sie nachweisen, dass Sie eine Pflegezeit gegenüber Ihrem Arbeitgeber angekündigt haben, muss der Medizinische Dienst innerhalb von zwei Wochen nach der Antragstellung zur Begutachtung kommen.
Die Möglichkeit einer vollständigen oder teilweisen Freistellung besteht übrigens auch dann, wenn Sie nahe Angehörige häuslich oder außerhäuslich betreuen möchten, die sowohl pflegebedürftig als auch minderjährig sind. Ebenfalls wichtig ist die Pflegezeit von bis zu drei Monaten, wenn Sie einen nahen Angehörigen in der letzten Phase seines Lebens begleiten möchten, ohne dass hierfür ein Pflegegrad erforderlich ist.
Nach der Pflegezeit haben Sie das Recht darauf, wieder vollumfänglich in Ihren alten Job zurückzukehren. Während der Pflegezeit können Sie eine finanzielle Unterstützung in Form eines staatlichen Darlehens erhalten, damit Sie den Verdienstausfall abfedern können. Diese Voraussetzungen gelten für Arbeitnehmer, Beamte, Richter und Soldaten gleichermaßen.
Familienpflegezeit
Wenn die sechs Monate Pflegezeit nicht ausreichen, haben Sie die Möglichkeit, bis zu zwei Jahre teilweise aus Ihrem Job auszusteigen, damit Sie einen Angehörigen zu Hause pflegen können. Diese Familienpflegezeit bis zu 24 Monaten teilweiser Freistellung gilt auch dann, wenn Sie nahe Angehörige, die minderjährig und pflegebedürftig sind, zu Hause oder außerhäuslich versorgen möchten. Sie haben in beiden Fällen einen Anspruch auf eine Reduzierung Ihrer Wochenarbeitszeit auf bis zu 15 Stunden.
Einen Anspruch auf Familienpflegezeit haben Sie dann, wenn Sie in einem Unternehmen arbeiten, das mehr als 25 Mitarbeiter beschäftigt. Ihren Anspruch auf Familienpflegezeit müssen Sie mindestens acht Wochen vorher schriftlich ankündigen. Für kleinere Unternehmen gilt auch hier, dass eine Familienpflegezeit freiwillig gewährt werden kann. Ebenso wie bei der Pflegezeit sollte auch hier ein Pflegegrad vorliegen. Ist dies nicht der Fall, muss unverzüglich ein entsprechender Antrag gestellt werden.
Haben Sie vor der Familienpflegezeit bereits die Pflegezeit in Anspruch genommen, darf dennoch die Gesamtdauer von 24 Monaten nicht überschritten werden. Ihr Arbeitnehmer kann während der Familienpflegezeit das Gehalt aufstocken. Der jeweilige Aufstockungsbetrag wird dabei einem Wertguthaben entnommen, das Sie vor oder nach der Pflegedauer durch Mehrarbeit ansparen.
Pflegeunterstützungsgeld für kurze Auszeit
Sie können sich für die Dauer von bis zu zehn Tagen eine Auszeit vom Beruf nehmen, wenn ein Familienmitglied plötzlich pflegebedürftig wird und Sie die Pflege organisieren müssen. Während dieser kurzen Auszeit bekommen Sie auf Antrag bei der Pflegekasse ein Pflegeunterstützungsgeld. Dieses wird in Höhe von 90 % Ihres ausgefallenen Nettoentgeltes ausgezahlt, darf nach aktuellen Voraussetzungen aber pro Kalendertag 70 % der Beitragsbemessungsgrenze Ihrer Krankenversicherung nicht überschreiten.
Ab dem 01.01.2024 sieht das PUEG – Pflegeunterstützungs- und entlastungsgesetz vor, dass das Pflegeunterstützungsgeld als jährliche Leistung – und nicht mehr als einmalige Leistung – in Anspruch genommen werden kann.
Pflegegeld in Kombination mit ALG I und ALG II
Häufig erhalten Pflegepersonen wie pflegende Angehörige das Pflegegeld von der pflegebedürftigen Person als Ausgleich für den pflegerischen Aufwand. Sofern Sie arbeitssuchend gemeldet sind und aus diesem Grund Arbeitslosgengeld I beziehen, dürfen Sie aber nach den gültigen Regelungen nur bis zu einem bestimmten Satz Geld verdienen und nur eine vorgeschriebene Wochenstundenzahl arbeiten, damit Ihnen keine Abzüge drohen. Zur Entlastung von pflegenden Angehörigen wird das Pflegegeld vom Arbeitsamt nicht als Einkommen bewertet, sodass Sie ohne Komplikationen in Ihrer Situation weiterhin Arbeitslosengeld I beziehen dürfen.
Aber auch hier liegt der sprichwörtliche Teufel im Detail: Sie können grundsätzlich nur dann Arbeitslosengeld bekommen, wenn Sie zu jeder Zeit in der Lage sind, dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen und eine Arbeit aufzunehmen. Des Weiteren sind Sie verpflichtet, an Maßnahmen vom Arbeitsamt teilzunehmen. Wenn Sie also trotz der Pflege von Angehörigen weiterhin Arbeitslosengeld I beziehen möchten, müssen Sie für solche Pflicht-Maßnahmen sicherstellen, dass jemand in der Pflege für Sie einspringen kann. Hier ist entscheidend, ob für pflegende Angehörige eine Arbeitsaufnahme überhaupt zumutbar ist. Mit steigender Belastung in der Pflege kann die Arbeitsfähigkeit als eingeschränkt gelten, was mit dem Arbeitsamt geklärt werden muss. Denkbar ist auch eine Reduzierung auf die potenzielle Aufnahme einer Teilzeitbeschäftigung.
Mit Wirkung vom 01.01.2023 wurde das Arbeitslosengeld II bzw. Harz IV durch das Bürgergeld abgelöst. Sofern Sie Bürgergeld beziehen, gelten für Sie als pflegende Angehörige ähnliche Bedingungen wie für das Arbeitslosengeld I. Auch in diesem Fall können Sie von der pflegebedürftigen Person das Pflegegeld bekommen, ohne dass es Ihnen als Einkommen angerechnet wird. Doch für den weiteren Bezug von Bürgergeld ist es je nach Zumutbarkeit notwendig, dass Sie dem Arbeitsmarkt weiterhin zur Verfügung stehen.
Übersicht Freistellung für die Pflege naher Angehöriger
Pflegezeit | Familienpflegezeit | Pflegeunterstützungsgeld | Sterbebegleitung | |
Dauer | 6 Monate | 24 Monate | 10 Tage | 3 Monate |
Freistellungsart | vollständig/teilweise | teilweise | vollständig (Akutfall) | vollständig/teilweise |
Anspruch Arbeitnehmer | Betriebe über 15 Mitarbeiter | Betriebe über 25 Mitarbeiter | alle | Betriebe über 15 Mitarbeiter |
Pflegegrad | PG 1, 2, 3, 4, 5 | PG 1, 2, 3, 4, 5 | ärztliche Bescheinigung | ärztliche Bescheinigung |
Anmeldung | 10 Tage vor Beginn | 8 Wochen vor Beginn | keine | 10 Tage vor Beginn |
Finanzierung | zinsloses Darlehen BAFzA | zinsloses Darlehen BAFzA | Lohnersatz durch Pflegekasse | zinsloses Darlehen BAFzA |
Sind pflegende Angehörige sozial abgesichert?
Die soziale Absicherung von Pflegepersonen wurde eingeführt, um das Engagement von ehrenamtlich Pflegenden zu unterstützen, die wegen der Pflege anderer oft die eigene Berufstätigkeit einschränken oder vielleicht sogar ganz aufgeben. Nach den Vorschriften haben Sie als Pflegeperson einen Anspruch auf Zahlung von Sozialbeiträgen für die Renten- und Arbeitslosenversicherung. Außerdem sind Sie gesetzlich unfallversichert, wenn Sie ehrenamtlich einen Pflegebedürftigen mit Pflegegrad 2, 3, 4 oder 5 für mindestens zehn Stunden in der Woche bzw. mindestens zwei Tage in der Woche pflegen. Die Beiträge werden dann von der Pflegeversicherung übernommen.
Wenn Sie Pflegezeit oder Familienpflegezeit in Anspruch nehmen möchten, sollten Sie sich über Ihre soziale Absicherung informieren. Nicht in jedem Fall bleibt der Kranken- und Pflegeversicherungsschutz über den Arbeitgeber erhalten. Während der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung besteht Ihre Absicherung weiter, sofern dies vertraglich vereinbart wurde. Beschäftigte bleiben auch beim Bezug von Pflegeunterstützungsgeld versichert. Die Pflegekasse zieht dann die Beitragsanteile für Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung vor der Auszahlung des Pflegeunterstützungsgeldes ab und überweist diese gemeinsam mit den Arbeitgeberanteilen.
Es kommt darauf an, wie viel Geld Sie verdienen. Erhalten Sie mehr als 520,00 € pro Monat, sind Sie regelmäßig pflichtversichert und müssen sich um nichts weiter kümmern. Verdienen Sie aber weniger, dann könnten Sie sich vielleicht über die gesetzliche Familienversicherung Ihres Ehepartners mitversichern. Hierfür ist nur ein Anruf bei dessen Krankenkasse erforderlich. Sind Sie jedoch alleinstehend, müssen Sie sich selbst freiwillig versichern, wofür Sie von der Pflegeversicherung des Pflegebedürftigen Zuschüsse erhalten können. Die Unterlagen dazu bekommen Sie bei Ihrer Krankenkasse und der Pflegekasse des Pflegebedürftigen.
Unabhängig von Ihrem Verdienst sind Sie als Pflegezeit in Anspruch nehmender Angehöriger automatisch gesetzlich unfallversichert. Die Meldung bei der zuständigen Unfallkasse erfolgt durch die Pflegeversicherung des Pflegebedürftigen, die auch die Beiträge zahlt.
Damit sich Ihre Pflegezeiten nicht negativ auf Ihre Rente auswirken, können Sie gesonderte Rentenpunkte ansammeln. Was das genau bedeutet, können Sie in unserem Ratgeberartikel Rente für pflegende Angehörige nachlesen.
Fazit
Es ist sicherlich nicht einfach, die Pflege von Mutter oder Vater mit der eigenen Berufstätigkeit zu vereinbaren. Die gesetzlich eingeführten Pflegezeiten und Familienpflegezeiten unterstützen die häusliche Pflege und entlasten pflegende Angehörige. Dennoch befürchten viele, nach der mehr oder weniger langen Pflegezeit den Anschluss im Beruf nicht mehr zu finden. Wer zum Beispiel zwei Jahre Pflegetätigkeit wieder in den Beruf zurück will, muss sich wahrscheinlich auf viele Neuerungen einstellen. Häufig weiß zu Beginn auch niemand, wie lange eine Pflege überhaupt notwendig wird. Je nach Erkrankung oder Unfall kann eine Pflegebedürftigkeit vorübergehend oder dauerhaft sein. Der Entschluss, einen Elternteil neben der Arbeit zu pflegen, geht mit vielen Herausforderungen einher und sollte gut überlegt werden.
Positiv herauszustellen sind die Bemühungen von Politik und Gesetzgebung, mehr Menschen für die Pflege von Familienangehörigen zu motivieren, sie finanziell zu entlasten und sozial abzusichern. Leider reicht dies häufig nicht aus, um den gewohnten Lebensstandard zu erhalten. Insbesondere dann, wenn neben Pflege und Arbeit auch noch eine eigene Familie mit Kindern zu versorgen ist, kann es finanziell und zeitlich sehr knapp werden. In derartigen Fällen bietet es sich an, auf ein der häuslichen Pflege ähnelndes Konzept wie die 24 Stunden Betreuung zurückzugreifen, für die es bei Vorliegen von>Pflegebedürftigkeit und Pflegegrad ebenfalls finanzielle Hilfen gibt.