Liebe Leserinnen und Leser!
Wegen aktueller Ereignisse rund um Inflation und Energiekrise plant Gesundheitsminister Lauterbach ein Hilfspaket für Krankenhäuser in Milliardenhöhe. Ob das Geld hilft, auch den Personalmangel in der Pflege abzumildern, ist fraglich. In Kliniken und Krankenhäusern macht sich der Pflegenotstand bereits jetzt massiv bemerkbar.
Pflegefachkräfte in deutschen Krankenhäusern müssen sich durchschnittlich um 7 bis 8 Patienten am Tag kümmern – teilweise gleichzeitig! Dabei darf dann aber auch nichts Unvorhersehbares geschehen oder „schief gehen“, damit jede Pflegekraft innerhalb ihrer regulären Arbeitszeit ihre To-Do-Liste abarbeiten kann.
Personaluntergrenze zieht nicht
Im Jahr 2019 wurde für besonders pflegeintensive Stationen in Kliniken und Krankenhäusern eine Untergrenze für Personal eingeführt. Leider hat sich trotz dieser Neuerung nicht viel an der Personalsituation geändert. Bemerkbar macht sich dies im internationalen Vergleich, wie die Hans-Böckler-Stiftung herausgefunden hat: Nach einer Studie aus dem Jahr 2018 muss sich eine Pflegefachkraft in Deutschland um 13 Klinikpatienten kümmern. In den Niederlanden kommen auf eine Pflegekraft gerade einmal 6 bis 7 Patienten.
Wie viele Pflegekräfte aktuell wirklich fehlen, kann kaum zuverlässig nachvollzogen werden. Die sich auch für die Rechte von Pflegekräften einsetzende Gewerkschaft Verdi kam im Jahr 2020 nur für den Krankenhaus-Bereich auf 80.000 fehlende Pflegekräfte, während die Hans-Böckler-Stiftung bereits 2018 auf etwa 100.000 fehlende Pflegestellen in Krankenhäusern hinwies. Die Universität Bremen hat 2020 den Fachkräftemangel in Pflegeheimen durch eine umfangreiche Studie untersucht: Auch hier fehlten zu diesem Zeitpunkt ca. 120.000 Vollzeitkräfte. Da insbesondere in stationären Einrichtungen häufig Teilzeit gearbeitet wird, konnte zu diesem Zeitpunkt von etwa 200.000 fehlenden Pflegekräften ausgegangen werden.
Wird der Fachkräftemangel in der Pflege vor dem Hintergrund der offenen und ausgeschriebenen Stellen auf dem Arbeitsmarkt betrachtet, so kommt die Bundesagentur für Arbeit für das Jahr 2021 auf ein Defizit zwischen 27.000 Jobangebote für Fachkräfte und lediglich 9.000 entsprechend qualifizierte Arbeitssuchende.
Verschärfter Fachkräftemangel in der Zukunft
Nahezu alle Experten sind sich einig, dass sich die Personalsituation in der Kranken- und Altenpflege in naher Zukunft noch verschärfen wird. Mit der alternden Gesellschaft steigt auch die Anzahl der Pflegebedürftigen, was von den Auswertungen des Statistischen Bundesamts aus den letzten Jahren untermauert wird.
Die Rede ist zum Teil sogar von 500.000 fehlenden Pflegekräften im Jahr 2030, was jedoch von zahlreichen Faktoren abhängig gemacht werden muss – insbesondere von der Attraktivität von Pflegeberufen.
Warum möchte niemand mehr in der Pflege arbeiten?
Wie bereits ausgeführt müssen viele Pflegefachkräfte in Krankenhäusern aktuell (zu) viele Patienten gleichzeitig betreuen. Ähnliche Situationen herrschen in Alten- und Pflegeheimen. Fast alle engagierten Pflegekräfte bemängeln, dass das „Menschliche einfach zu kurz“ kommen würde, wenn man sein Arbeitspensum schaffen möchte. In der Öffentlichkeit werden Pflegeberufe also als besonders belastende Berufe angesehen. Außerdem werden Berufe in der Pflege häufig mit geringen Verdienstmöglichkeiten und Schichtdienst in Verbindung gebracht.
Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit erläutert dazu, dass Pflegekräfte in der Altenpflege noch etwas weniger verdienen als im Krankenhaus. In der ambulanten Pflege betrifft dies noch mehr die Hilfskräfte. Positiv zu erwähnen ist jedoch, dass bei vielen Altenpflegekräften mittlerweile die Tariflohnregelungen greifen und die Löhne entsprechend gestiegen sind.
Viele Menschen sind der Meinung, dass Pflegeberufe psychisch und körperlich besonders belastend sind. Der 2020 veröffentlichte Pflegereport der Barmer-Krankenkasse benennt diese Belastungen genauer mit
- häufiges Stehen
- häufiges Heben von schweren Lasten
- häufiges Tragen von schweren Lasten
- häufige Zwangshaltungen wie Bücken, Hocken, Knien oder Liegen
- kontinuierlicher Termindruck
- kontinuierlicher Leistungsdruck
- zeitliche Beschränkungen für das Abarbeiten von Aufgaben
- Arbeiten bis an die Grenze der Belastbarkeit
Der Pflegereport sieht diese Faktoren mit als Grund dafür, dass Pflegekräfte überdurchschnittlich oft krank und/oder frühverrentet sind. Diese Ausfälle beim Personal werden auf dem Rücken der übrig gebliebenen Pflegekräfte ausgetragen, woraus ein Teufelskreis entstehen kann. Auch nach Meinung des Pflegereports müsste dringend an der Optimierung der Arbeitsbedingungen gearbeitet werden, damit sich deutlich mehr Menschen für einen Pflegeberuf entscheiden.
Bemerken Patienten und Bewohner den Fachkräftemangel?
Sofern auf einer Station im Krankenhaus oder Pflegeheim nur wenige Pflegekräfte eingesetzt werden können, müssen die durchzuführenden Pflegemaßnahmen besonders schnell ausgeführt werden. Fehlt es Pflegekräften an Zeit, wird dies schon von Patienten und Pflegebedürftigen wahrgenommen.
Das Zwischenmenschliche kommt zu kurz oder empfohlene – aber verzichtbare – Maßnahmen müssen gestrichen werden, obwohl sie Heilungs- und Verbesserungspotenzial haben. Wenn es ganz schlimm ist, leidet die Versorgung auf besonders unangenehme Weise – beispielsweise beim Wechseln von Windeln. Der Zeit- und Leistungsdruck auf Pflegekräfte hat sich in einigen der Öffentlichkeit zugänglich gemachten Fällen sogar schon im Hinblick auf Zwangsmaßnahmen, Fixierungen, Demütigungen, Einschüchterungen und Gewalt geäußert.
Lösungsoptionen für den Fachkräftemangel
Viele Diskussionen werden über die belastenden Seiten der Pflegeberufe geführt, obwohl es auch viele gute Seiten gibt. Es gibt bereits viele Vorschläge, wie Pflegeberufe attraktiver gestaltet werden könnten, um mehr Kräfte zu generieren. Zu diesen Lösungsansätzen gehören Personaluntergrenzen, Tariftreueregelungen und Krankenhaus-Reformen, was entweder bereits durchgeführt wurde oder in den Startlöchern steht. In Krankenhäusern sollen zum Beispiel bei medizinischer Vertretbarkeit künftig mehr Behandlungen ambulant durchgeführt werden, damit zur Entlastung von Pflegekräften Nachtdienste wegfallen können. Viele weitere Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität sind bereits geplant. Es bleibt also vorerst abzuwarten, ob der Fachkräftemangel damit behoben oder zumindest abgemildert werden kann.
Bis dahin werden Konzepte aus der häuslichen Pflege mit der 24 Stunden Betreuung weiter unterstützend daran arbeiten, dass der Fachkräftemangel in der Pflege weniger Senioren und Pflegebedürftige unmittelbar betrifft.
Bis zum nächsten Mal und bleiben Sie wohlauf!
Ihr Team von
CareWork & SHD