Wenn pflegende Angehörige zu Opfern von Aggressionen und Gewalt werden

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15. Mai 2024

Mit mehr als 4,17 Millionen Menschen werden über 80 % aller Pflegebedürftigen in Deutschland zu Hause gepflegt. Fast immer sind es Angehörige, die sich um alte und kranke Familienmitglieder kümmern und die Versorgung übernehmen. Das ist auch der Grund, warum pflegende Angehörige auch Deutschlands größter Pflegedienst genannt werden. Für die Pflege muss häufig die eigene Berufstätigkeit aufgegeben werden und auch persönliche Einschnitte wie fehlende Hobbys oder Reisen werden in Kauf genommen. Trotz dieser fürsorglichen Zuwendung kommt es immer wieder zu Gewalterfahrungen, bei denen pflegende Angehörige zu Opfern werden.

 

Die wichtigsten Infos im Überblick

  • Gewalt gegen pflegende Angehörige gelangt aus Scham kaum an die Öffentlichkeit
  • Gründe für Gewalt lassen sich aus der professionellen Pflege auf die häusliche Pflege durch Angehörige übertragen
  • Zu den Gründen für Aggressionen zählen Erkrankungen, Drogen, Probleme mit pflegerischen Abhängigkeitsverhältnissen und das Gefühl, vernachlässigt zu werden.
  • Die häusliche Pflege wird oft von Angehörigen unterschätzt.
  • Aggressionen aus Angst vor Abhängigkeit
  • Offene Kommunikation und Austausch als Hilfestellung
  • Hilfe annehmen, auch wenn dafür die Pflege aufgegeben werden muss

Häusliche Pflege: Wie kommt es zu Gewalt gegen pflegende Angehörige?

In der professionellen Pflegebranche ist aggressives Verhalten gegenüber Pflegekräften leider nicht selten. Bekannt sind Fälle aus der Altenpflege, Psychiatrie und Behindertenbetreuung, bei denen meistens Pflegerinnen beschimpft, beleidigt oder sogar geschlagen, getreten und gebissen werden. Derartige Übergriffe führen häufig zu schwerwiegenden Verletzungen, wie sich aus den Meldungen von Arbeitsunfällen in den Statistiken der Unfallversicherungsträger ergibt.

Naturgemäß gelangen Fälle, bei denen pflegende Angehörige häusliche Gewalt erfahren, deutlich seltener an die Öffentlichkeit. Betroffene schämen sich, flunkern ihren Arzt bei der Schilderung von Verletzungsereignissen an und tun auch sonst alles, damit niemand etwas von den Vorfällen mitbekommt. Untersuchungen, wie oft es zu Gewalt gegen pflegende Angehörige kommt, gibt es deshalb kaum.

 

Gründe für Ohnmacht, Gewalt und Aggressivität

Überträgt man die Erfahrungen aus dem professionellen Pflegebereich auf die häusliche Angehörigenpflege, kommen folgende Gründe für Gewalttätigkeit in Betracht:

  • Neurologische und psychiatrische Erkrankungen beeinflussen das Verhalten von Betroffenen. Insbesondere bei Demenz werden Situationen schnell falsch eingeschätzt, sodass auch behutsames Entgegenkommen als persönlicher Angriff gewertet werden kann.
  • Alkohol, Medikamente und andere psychoaktive Drogen verändern sowohl die Wahrnehmung als auch das Verhalten. In diesen Fällen kommt es plötzlich zu unberechenbaren und aggressiven Ausbrüchen, die sich gegen jeden und alles richten.
  • In der Pflege entwickelt sich ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Pflegenden und Gepflegten, auf das nicht selten mit Unzufriedenheit und Aggressionen reagiert wird. Der Verlust der eigenen Selbstständigkeit und der wachsende Pflegebedarf verringern das Selbstwertgefühl von Pflegebedürftigen, weshalb häufig Vorwürfe der Bevormundung etc. laut werden.
  • Pflegebedürftige entwickeln oft das Gefühl, von pflegenden Angehörigen vernachlässigt zu werden und reagieren darauf Gewalt geladen.

Die beiden letzten Punkte sind abhängig davon, wie Pflegebedürftige die Pflegesituation empfinden. Zu einer gewaltbereiten Atmosphäre kommt es in der Regel erst nach einem längeren Zeitraum.

 

Aufgaben und Herausforderungen in der häuslichen Pflege werden unterschätzt

Pflegende Angehörige entwickeln Ohnmachtsgefühle, wenn sie angegangen oder angegriffen werden. Dies beruht darauf, dass in der Angehörigenpflege eine andere emotionale Bindung herrscht als in der professionellen Pflege. Familiäre Verbindungen basieren auf Zuneigung und Zusammenhalt, weshalb Angehörige die Pflege eines Familienmitglieds häufig als selbstverständlich betrachten und Toleranzgrenzen auf ein Minimum reduziert werden.

Dabei wird zu Beginn unterschätzt, dass eine Pflege viele Jahre andauern kann. Angehörige gelangen so in eine langjährige Gebundenheit, die Tag für Tag belasten kann. Die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben verwischen, da Pausen oder Feierabende nur selten durchgesetzt werden. Schwelende Konflikte können so leicht überhandnehmen.

 

Angst vor Abhängigkeit macht aggressiv

Für viele Pflegebedürftige ist es kaum erträglich, pflegebedürftig zu sein. Sie werden mit Schwäche und Abhängigkeit konfrontiert. Elternteile, die früher als Familienoberhaupt das familiäre Leben bestimmt haben, benötigen plötzlich Hilfe von der Tochter beim Toilettengang. Insbesondere intime Pflegeaufgaben werden als Demütigung empfunden. Die Hilflosigkeit kann überfordern und das Selbstbild ins Wanken bringen, während die damit zusammenhängende Unzufriedenheit sich in Aggressionen entladen kann.

Je nach familiärer Konstellation können sich Pflegebedürftige auch von ihren Angehörigen im Stich gelassen fühlen. Mit dem Abhängigkeitsverhältnis wächst auch der Anspruch an die eigenen Familienangehörigen. Kümmern sie sich aus der Sicht von Pflegebedürftigen zu selten oder nicht ausreichend, entsteht das Gefühl der Vernachlässigung oder sogar des Verrats. Wut und Zorn gehören zu den Resultaten, die dann trotz aufopfernder Pflege an den Angehörigen ausgelassen werden. Dies natürlich dann nur intern, wenn niemand anderes dabei ist. Sind Verwandte zu Besuch, herrscht eitel Sonnenschein. Pflegende Angehörige wissen nie genau, welche Version des Familienmitglieds sie heute erwartet – und kommen trotzdem jeden Tag wieder.

 

Wie sollten sich pflegende Angehörige bei Gewalt in der Pflege verhalten?

Betroffene Angehörige sollten über ihre Erfahrungen sprechen. Ein Schweigen aus Scham bringt niemanden weiter. Nur durch eine offene Kommunikation können Lösungen gefunden werden.

Auch etwas Distanz kann helfen, die Wogen wieder zu glätten. Pflegende Angehörige sollten Angebote für Kurzzeitpflege und Verhinderungspflege sowie weitere Leistungen der Pflegekasse nutzen, um sich in der Pflege vertreten zu lassen. Ein ambulanter Pflegedienst könnte beispielsweise die kritischen Pflegeaufgaben übernehmen. Auch andere Familienmitglieder sollten in die Pflege mit einbezogen werden, damit sich die Belastungen besser verteilen. Für pflegende Angehörige ist es immens wichtig, sich Auszeiten zu nehmen und sich vom Pflegealltag zu erholen.

 

Wie kann man Gewalt in der Pflege vorbeugen?

Es ist hilfreich, nach Lösungsansätzen gegen Gewalt zu suchen, die auf die Ursachen abzielen. So ist es bei vielen neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen beispielsweise möglich, Behandlungen und Therapien einzuleiten, das aggressive Auswirkungen reduziert werden können. Pflegende Angehörige sollten auch hier mit Betroffenen und behandelnden Ärzten das Gespräch suchen, um entsprechende Möglichkeiten zu finden.

Gleiches gilt auch für verordnete Arzneien und Medikamente. Hier sollte mit dem Arzt Rücksprache in Bezug auf Notwendigkeit, Austauschbarkeit und Dosierung gehalten werden.

 

Beratungsmöglichkeiten für pflegende Angehörige

Es gibt Selbsthilfegruppen für pflegende Angehörige, in denen ganz offen über derartige Probleme gesprochen werden kann. Andere Teilnehmer haben vielleicht ähnliche Erfahrungen gemacht und können wertvolle Tipps und Tricks geben. Des Weiteren wird in Selbsthilfegruppen auch über Erkrankungen gesprochen und Erkenntnisse ausgetauscht, wie sich das Krankheitsempfinden bemerkbar machen kann.

Oft gehen diese Treffen mit der Erkenntnis einher, dass pflegebedürftige Familienangehörige nicht immer die Schuld an Aggressionen tragen und negative Erfahrungen nicht persönlich zu werten sind. Oft ist es das Gefühl der Abhängigkeit, das Pflegebedürftige aus der Haut fahren lässt.

Weiterhelfen können jedoch auch Senioren- und Pflegeberatungsstellen von Gemeinden und Kommunen sowie Diakonie, Arbeiterwohlfahrt, Caritas und andere Trägervereine. Auch im Internet lassen sich Beratungsstellen und Unterstützungsmöglichkeiten für pflegende Angehörige finden.

 

Wenn nichts mehr hilft

Hilft dies alles nicht weiter, sollte die Pflegesituation grundsätzlich überdacht werden. Auch wenn dies ein schwerer Schritt ist, kann es für pflegende Angehörige der letzte Ausweg sein. Ein schlechtes Gewissen, in einer kritischen Pflegesituation Abstand zu nehmen, ist völlig unnötig. Grundvoraussetzung für eine gute Pflege ist eine intakte Beziehung zwischen Pflegenden und Gepflegten. Ist dies nicht gegeben, können Aggressionen und Gewalt in eine Abwärtsspirale führen, in der es keinen Gewinner gibt.

Bevor dies geschieht, sollten sämtliche Möglichkeiten einer anderweitigen Pflege erörtert werden. Informieren Sie sich beispielsweise über die 24 Stunden Betreuung von CareWork & SHD, bei der die Betreuung und Versorgung weiterhin im eigenen Zuhause erfolgen kann. Die Betreuungskräfte in der 24 Stunden Betreuung sind den Umgang mit alten, kranken und pflegebedürftigen Menschen gewohnt und wissen auch, wie mit schwierigen Situationen umgegangen wird. Pflegende Angehörige werden durch das alternative Betreuungskonzept umfangreich entlastet, da hauswirtschaftliche, grundpflegerische und alltagsbedingte Leistungen zum Portfolio gehören. Dadurch können sich Angehörige wieder auf ein harmonisches Familienleben konzentrieren.

Nutzen Sie die unverbindlichen Beratungsmöglichkeiten von CareWork & SHD und lassen sich ein individuelles Angebot für Ihre Betreuungssituation unterbreiten!

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